Morbus Osler

Synonym: Hereditäre hämorrhagische Teleangieektasie (HHT)
Morbus Rendu-Osler-Weber

Der Morbus Osler betrifft ungefähr ein bis zwei Personen auf 100.000 Einwohner aller Rassen und ethnischen Gruppen. Nahezu 90% der Patienten sind von Nasenbluten betroffen, welches sich meist vor dem 20. Lebensjahr, in einigen Fällen jedoch erst in der 7. Lebensdekade manifestiert.

Einleitung
Die Diagnose wird überwiegend klinisch gestellt, genetische Untersuchungen können jedoch entscheidend dazu beitragen.

  • Epistaxis - Nasenbluten (spontan und wiederholt)
  • Teleangiektasien - Typische kleine Gefäßmissbildungen, mehrfach und an charakteristischen Stellen (Lippen, Mundhöhle, Finger, Nase) (Bild oben)
  • Viszerale Manifestationen - Beteiligung innerer Organe, besonders von Lunge, Leber, Hirn und Magen-Darm-Trakt (siehe Text)  
  • Positive Familienanamnese - Wenigstens ein Verwandter ersten Grades, der nach diesen Kriterien betroffen ist.

Der Morbus Osler gilt als gesichert, wenn wenigstens drei dieser vier Kriterien erfüllt sind. Bei zwei erfüllten Kriterien geht man von einem Verdachtsfall aus. Auch wenn bei nur einem erfüllten Kriterium ein Morbus Osler unwahrscheinlich ist, ist dieser trotzdem möglich, z. B. betroffene Kinder, bei denen häufig nur der vierte Punkt erfüllt ist, während sich die anderen Krankheitssymptome erst im Laufe des Lebens einstellen können. Hier ist häufig die genetische Diagnostik hilfreich.

Genetik
Zugrunde liegt eine Fehlbildung der Venolen und Arteriolen. Die Entstehung wird durch eine vererbbare Mutation in wenigstens zwei verschiedenen Genen auf Chromosom 9 und 12 erklärt. Hier erfolgt die Codierung von zwei Proteinen, die eine wichtige Rolle bei der Erhaltung der Gefäßwandintegrität spielen. Durch diesen Fehler weisen die Blutgefäße (postkaptillären Venolen) eine Erweiterung und Wandschwäche auf (dünne Epithelschicht, Muskellücken). Unter anderem weiten sich kleinste Gefäße von Haut und Schleimhaut und sind anschließend als stecknadelkopf- bis reiskorngroße rote Flecken unter der Haut und Schleimhaut zu sehen. Aus diesem Grund ist der vaskuläre Beitrag zur Hämostase unzureichend und eine spontane Blutstillung ist allein auf die plasmatische Blutgerinnung angewiesen. Die Folge sind oft hartnäckige spontane und rezidivierende Blutungen, die sich meist nicht durch Kompression stillen lassen.

Klinische Manifestation:
Epistaxis (Nasenbluten)
Die Mehrheit der erkrankten Personen leiden unter wiederkehrenden Nasenbluten. Die Blutungen aus der Nase treten bei bis zu 96% der Patienten auf. Bis zu 80% der Patienten weisen signifikante Blutungen vor dem 30. Lebensjahr auf. Bei 90% der Patienten handelt es sich um die erste Manifestation der Erkrankung. Die Ursache liegt in der besonderen Exposition der  Schleimhaut der Nasenscheidewand, die äußeren Einflüssen (Austrocknung) stark ausgesetzt ist.

Die Behandlung bei HHT- Patienten muss vorsichtig abgewogen werden. Durch einen zu schnellen Versuch der Blutstillung mittels bipolarer Koagulation eines blutenden ektatischen Gefäßkonvoluts kann es zu Schleimhautschäden in angrenzenden Bezirken kommen mit daraus resultierenden Kollateralblutungen.

Haut und Schleimhäute
Disseminierte Teleangieektasien (Gefäßmissbildungen) sind nicht selten über Jahrzehnte die einzigen äußerlichen erkennbaren Läsionen bei Patienten mit hereditärer hämorrhagischer Teleangiektasien der Nasenschleimhaut. Am Anfang stehen kleine punktförmige rote und scharf begrenzte Veränderungen, welche sich im Laufe der Zeit in spinnenförmige Gefäßerweiterungen verwandeln. Die Hautveränderungen bluten seltener als die Teleangiektasien im Bereich der Schleimhäute, wahrscheinlich bedingt durch den schützenden Effekt der Hornhaut.

Beteiligung der Lunge
In ungefähr 15% der Fälle treten große Gefäßerweiterungen in der Lunge auf. Durch diese großen Gefäßkurzschlüsse können auch Gerinnsel und Bakterien das filternde Netz der Lunge passieren und so zu Schlaganfällen und Hirnentzündungen (Abszessen) führen. Bei ärztlichen Eingriffen, insbesondere bei Zahnbehandlungen, kann es zur Einschwemmung von Bakterien in das Blut kommen. Deshalb sollten alle Patienten, bei denen eine Gefäßerweiterung der Lunge vorliegen könnte, vorher Antibiotika erhalten. Deshalb sollten betroffene Patienten ihren Zahn-/Arzt auf die Erkrankung aufmerksam machen. Zur diagnostischne Abklärung von Malformationen werden eine Blutgasanalyse, die Kontrastechokardiographie, die Computertomographie und die Angiographie empfohlen. Die Therapie kann über eine Embolisation mittels Katheterverfahren erfolgen oder chirurgisch vorgenommen werden.

Manifestation am ZNS
Auch im zentralen Nervensystem finden sich Gefäßfehlbildungen bei M. Osler-Patienten. Bis zu 13 %, der an Morbus Osler erkrankten Patienten weisen hier Veränderungen auf, deshalb empfiehlt die amerikanische Selbsthilfeorganisation der Morbus-Osler-Patienten, dass bei allen Patienten nach dem 12. Lebensjahr eine spezielle Kernspintomographie des Kopfes durchgeführt werden sollte. Bei Verdachtsmomenten (z.B. Kopfschmerzen oder Lähmungen) kann dies jedoch bereits früher sinnvoll sein. Man muss jedoch nicht jede Gefäßfehlbildung behandeln. Vielmehr sollte stets abgewogen werden, wie groß das Blutungsrisiko und im Vergleich dazu das Behandlungsrisiko ist. Zur Therapie haben sich neurochirurgische Eingriffe, Radiochirurgie, Embolisation und die Kombination aus diesen Elementen als erfolgreich erwiesen.

Hepatische Beteiligung
Auch in der Leber können Gefäßkurzschlüsse, sogenannte "Shunts", auftreten.  Manifestationen an der Leber werden in  8-70% der Fälle beobachtet. In den meisten Fällen verläuft die Leberbeteiligung asymptomatisch. In einigen Fällen kann es zu einer Überlastung des Herzens führen, was von den Betroffenen häufig als Abgeschlagenheit und mangelnde körperliche Belastbarkeit, ähnlich wie bei der Blutarmut, empfunden wird. Die medikamentöse Verbesserung der Herzfunktion wird häufig als erster Schritt der Behandlung eingeleitet. Es gibt eine Reihe weiterer Behandlungsmöglichkeiten über den Einsatz (z.B. Embolisation von Gefäßen, Lebertransplantation) jedoch im Einzellfall entschieden werden muß.

Die diagnostische Untersuchungstechnik der Wahl ist die Farbdopplersonographie.

Gastrointestinaltrakt
Insbesondere ab dem 40. Lebensjahr kann es zu Magen- und Darmblutungen kommen. Diese Blutungen können geringgradig, jedoch auch sehr heftig sein. Der Stuhl kann bei starken Blutungen teerähnlich dunkel aussehen und „faul“ riechen oder mit rotem Stuhl durchmengt sein. Bei leichten Blutungen können diese Zeichen jedoch unbemerkt bleiben. Manchmal bringt erst die Abklärung einer Blutarmut, die vom Patienten meist als allgemeine Schwäche und Müdigkeit verspürt wird, den Arzt auf die richtige Spur. Zur Abklärung wird dann häufig eine Magen-Darm-Spiegelung durchgeführt. Finden sich dort wenige und geeignete Gefäßerweiterungen, so kann eine Behandlung mittels Laser, Unterspritzung oder elektrischer Verödung oft im gleichen Eingriff durchgeführt werden. Liegen viele Blutungsquellen vor und kommt es zu wiederholten Blutungen, so kann eine Therapie mit weiblichen Hormonen versucht werden. Aufgrund der Nebenwirkungen muss jedoch im Einzellfall ein sorgfältiges Abwägen der Vor- und Nachteile erfolgen.

Schlussfolgerung
Die rechtzeitige Diagnose und die regelmäßige Kontrolle eines krankhaften Befundes kann für die Betroffenen von Vorteil sein. Es ist anzunehmen, dass bei M. Osler-Patienten eine präventiv therapierte Gefäßmissbildung ein geringeres Risiko darstellt als eine unerkannte, welche jederzeit eine Blutungsquelle darstellen kann.

 

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