„Menschen müssen lernen, mit dem Tod zu leben.“

Dr. Eugen Drewermann sprach auf der Palliativmedizin-Tagung in Paderborn

Die Veranstaltung „Aspekte der Palliativmedizin“ vereint alljährlich auf regionaler Ebene Mitarbeiter und Interessierte aus den Bereichen der Hospizarbeit und der Palliativmedizin.
In diesem Jahr hatte der Organisator Prof. Dr. Dr. med. Andreas S. Lübbe einen Gast ins Paderborner Heinz Nixdorf MuseumsForum (HNF) eingeladen, der über Paderborn hinaus sehr bekannt ist: Der Theologe und Psychoanalytiker Dr. Eugen Drewermann sprach vor mehr als 300 Gästen über die Grenzen der Medizin. Sein Fazit: Palliativmedizin berührt Bereiche, die in unserer Gesellschaft oft tabuisiert werden. Und sie hat einen hohen Stellenwert.
„Wir Menschen müssen mit dem Tod leben lernen“, sagte Drewermann. „Die Palliativmedizin erinnert daran, dass das Leben endlich ist, aber sie kann den Weg im Umgang mit dem menschlichen Leid aufzeigen und ist auch daher sehr wichtig.“
Deutliche Kritik äußerte der Theologe am profitorientierten Gesundheitssystem. Die Menschen in unserer Gesellschaft hätten den Anspruch, dass Ärzte fehlerlos arbeiten. „Aber Götter in weiß können und wollen die Ärzte nicht sein“, mahnte Drewermann.
In der Palliativmedizin seien viele Professionen wichtig: „Menschen, die in diesem Bereich wirken, müssen Dichter, Seelsorger, Mitmenschen, Gläubige und Hoffende sein“, sagte der Psychoanalytiker.
Für seinen intensiven Vortrag erntete Dr. Eugen Drewermann anhaltenden Beifall.
Zuvor referierte Dr. Constanze Rémi, Fachapothekerin für klinische Pharmazie der Universität München, als national renommierte Referentin über die Grundlagen der Arzneimitteltherapie in der Palliativmedizin. Sie betonte, dass Ursachenforschung für die Beurteilung einer Erkrankung maßgeblich sei. Arzneimitteltherapie dürfe nicht überreizt und müsse stetig hinterfragt werden. Rémi sprach von einem Weg der vier Therapie-Schritte: Planung, Individualisierung, Erfahrung und Beendigung. Allerdings müsse immer der einzelne Patient im Vordergrund stehen: „Individualität ist immens wichtig“, so die Fachapothekerin.
Prof. Dr. Dr. med. Andreas S. Lübbe, Chefarzt der Palliativstation in der Karl-Hansen-Klinik Bad Lippspringe, Vorsitzender des Pallium e.V. – Lebensqualität für Krebsbetroffene e.V. und Vorsitzender des Paderborner Palliativnetzes e.V., setzt sich seit vielen Jahren für die Palliativmedizin ein. Er veröffentlicht Beiträge in renommierten Medien und schreibt Fachbücher zu diesem Thema. Die Veranstaltung im HNF ist die größte ihrer Art im Hochstift Paderborn; sie schafft die Möglichkeit der Vernetzung von Expertinnen und Experten und trägt dazu bei, die Palliativmedizin ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken.
Im HNF berichtete er traditionell über aktuelle Entwicklungen in der Palliativmedizin. Lübbe mahnte an, dass es derzeit vor allem im Bereich der Forschung einen großen Nachholbedarf gebe. Auch die mangelhafte Vergütung sei ein Dilemma, denn immerhin sei jeder zehnte Krankenhaus-Patient ein Palliativpatient.

Prof. Dr. Dr. med. Andreas S. Lübbe, Dr. Constanze Rémi und Dr. Eugen Drewermann (v. l.) sprachen im Rahmen der Tagung im HNF.
Prof. Dr. Dr. med. Andreas S. Lübbe, Dr. Constanze Rémi und Dr. Eugen Drewermann (v. l.) sprachen im Rahmen der Tagung im HNF. Foto: Heiko Appelbaum